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Alexis von Wittgenstein
Beste Entscheidung seines Lebens? Warum? Und 6 1/2 Fragen dazu:
1. Welche Entscheidung war die Beste, die Du in Deinem Leben getroffen hast? (Und warum?)
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Natürlich gibt es Entscheidungen, die sich nachhaltig positiv auf mein Leben ausgewirkt haben. Beispielsweise, dass ich trotz mehrmaligem versetzt werden noch einen allerletzten Versuch unternommen habe, das Herz meiner heutigen Ehefrau zu erobern.
Und es gibt Entscheidungen, deren Effekt ich primär negativ empfunden habe, aus denen ich jedoch sehr Wertvolles für mein restliches Leben gelernt habe. Meine erste Entscheidung nachdem ich mich selbstständig gemacht hatte, fällt zum Beispiel in diese Kategorie.
Damals hatte ich einen wesentlich älteren und sehr etablierten Produzenten gebeten, ob ich ihn als Mentor für mein erstes Kinoprojekt zu Rate ziehen dürfte. Er stimmte freundlich zu, bot sogar an, als Koproduzent zu helfen, um dann schließlich das Projekt doch lieber alleine zu machen - ohne mich.
Letztendlich konnte ich mich zwar behaupten, aber es war mir eine Warnung, nicht zu blauäugig zu sein, wenn es ums Geschäft geht. Für diese Lektion bin ich meinem damaligen Mentor tatsächlich bis heute sehr dankbar, auch wenn sich das komisch anhört.
In diesem Sinne könnte es sogar sein, dass meine schlechteste Entscheidungen gesamtbetrachtet meine besten waren. Wenn man seine Entscheidungen Schritt für Schritt zurückdenkt und man sich gegenwärtig macht, dass eine Entscheidung zur nächsten führte, egal ob sie nun „gut" oder „schlecht“ war, ich mich gleichzeitig aber sehr wohl damit fühle, wo und wer ich heute bin, kann ich die Frage eigentlich nur damit beantworten: meine beste Entscheidung muss meine allererste gewesen sein.
Aus meiner Sicht ist es daher gar nicht so wichtig, ob man eine richtige oder eine falsche Entscheidung trifft. Wichtig ist, dass man sie trifft - und dass man sie bewusst trifft. Alles was daraus resultiert, ist im Grunde genommen nur die Vorlage für die darauf folgende nächste Entscheidungsfindung.
6 1/2 Fragen:
1. Was beeinflusst Deine Entscheidungen?
Prinzipiell sind wir in unseren Entscheidungen ja einer Unzahl von Einflüssen ausgesetzt. Meinungen Anderer, Erwartungsdruck, Vorurteile, Launen und Emotionen jeglicher Art. Daher ist es überhaupt nicht einfach, sich darauf zu konzentrieren, was man im innersten Kern will - und wie man dann schließlich dort hin kommt. Ich versuche bei meinen Entscheidungen bewusst dosiert Einflüsse von Außen zuzulassen. Wenn man alles im stillem Kämmerlein mit sich selbst ausmacht, kann man schnell Scheuklappen aufbekommen; Wenn man aber zu viele Einflüsse aufnimmt, kann das zu Verwirrung führen und man läuft Gefahr, das Gefühl dazu zu verlieren, was man selbst eigentlichen will.
Letztlich ist es nur wirklich Deine eigene Entscheidung, wenn Du auch 100%ig dahinter stehst. Insofern beeinflusst mich am meisten das Gefühl, mit meiner Entscheidung in line mit meinem sonstigen Leben und meinen Einstellungen zu sein. Oft sind es aber gerade die engsten Berater, die einem hier den richtigen Spiegel vorhalten.
2. Wie ist Dein Vorgehen, wenn Du eine schwere Entscheidung zu treffen hast?
Wenn ich eine komplexe Entscheidung zu treffen habe, brauche ich einen Stift und ein Blatt Papier. Ich bin ein sehr visuell veranlagter Mensch, daher hilft es mir sehr, wenn ich die Situation und ihre verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zu Papier bringen kann. Wenn ich die Implikationen zu jeder Entscheidungsvariante durchdacht und jede erdenkliche Perspektive aller Beteiligten eingenommen habe, und schließlich durch Reduktion bestenfalls nur noch zwei Möglichkeiten übrig bleiben, dann schlafe ich eine Nacht drüber. Am nächsten Morgen stelle ich mir die Frage, ob irgendeine Emotion mein Bewusstsein bei der Entscheidungsfindung trüben könnte: Angst, Wut oder Eitelkeit sind bekanntlich keine guten Berater. Überschwänglichkeit, Ungeduld oder Harmoniesucht allerdings genau so wenig.
Schließlich konzentriere ich mich auf mein Bauchgefühl: wie fühlt es sich an, wenn ich mich bereits für Variante A entschieden hätte. Und wie, für Variante B. Und dann mache ich einfach das, was sich besser anfühlt.
3. Was haben Entscheidungen aus Deiner Sicht mit der Realität zu tun?
Entscheidungen schaffen Realitäten. Die meisten Handlungen oder auch Äusserungen sind - einmal in der Welt - nicht mehr zurück zu nehmen. Man kann sich zwar korrigieren, wenn man sich einer Fehlentscheidung bewusst wird - darin liegt sogar eine besondere Kraft. Dennoch ist die ursprüngliche Entscheidung mitsamt seiner Korrektur Teil der Menschheitsgeschichte geworden.
Daher sollte man meiner Meinung nach versuchen, nie unbewusst zu handeln oder sprechen. Sonst findet man sich in unversehens in einer Realität wieder, die man sich nie hätte träumen lassen.
4. Welches war Dein Lieblingsmärchen, als Du klein warst?
Das Märchen vom fliegenden Robert aus dem Struwwelpeter.
5. Was ist aus Deiner Sicht am wichtigsten: Sicherheit, Autonomie oder Anerkennung?
Autonomie. Nur wenn ich unabhängig meine Entscheidungen treffen kann, kann ich auch volle Verantwortung dafür übernehmen.
6. Wer ist Dein größtes Vorbild?
Ich muss gestehen, ich habe nicht das eine große Vorbild. Es gibt in jedem Bereich des Lebens, von Beruf über Familie bis hin zu Spiritualität, Menschen, die ich ungemein achte und von denen ich mir versuche eine Scheibe abzuschneiden. Dabei bemühe ich mich aber, nicht zu vergleichen, denn das führt meiner Erfahrung nach nur dazu zu verkrampfen. Schließlich muss man seinen eigenen Weg gehen, um vielleicht irgendwann mal selbst jemand anderem als Vorbild dienen zu können.
Wenn eine wichtige Entscheidung in meinem Beruf ansteht, dann habe ich ein kleines Ritual: ich besuche den Friedhof am St.Georgs Kircherl in München, wo auch mein Vater begraben liegt. Auf diesem Friedhof hat sich ein illustres Grüppchen von Filmschaffenden (im weitesten Sinne) zur letzten Ruhe versammelt, das so große Namen wie Erich Kästner, Lisl Karstadt, Rainer Werner Fassbinder, Bernd Eichinger, Helmut Dietl sowie seinen „Monaco-Franze“ Helmut Fischer beinhaltet. Mit einer schweren Entscheidungsfrage im Gepäck spaziere ich dann an den schönen Gräbern entlang, verneige mich gedanklich vor jedem einzelnen, und überlege mir, was sie wohl alle für Schwierigkeiten in ihren Leben zu überwinden hatten. Irgendwie strafft mir das immer den Rücken und schärft den Mut, die anstehende Entscheidung zu treffen.
1/2 Welche Entscheidung würde die Welt zu einem besseren Ort machen?
Wann man Meditieren zum Pflichtfach machen würde.
Alexis von Wittgenstein violet-pictures.com/crew