Zeit, das Schweigen zu brechen: Sprechen wir über Scham

Blog Lass uns über Scham reden Michaela Forthuber #Entscheidungsarchitektin

Zeit, das Schweigen zu brechen: Sprechen wir über Scham

 

Jedes “Scheitern” und jeder “Fehler”, den wir erleben, ist oft von einem Gefühl der Scham begleitet, das tief in uns verwurzelt ist. Scham hat eine wesentliche und positive Rolle; sie kann eine unterstützende Kraft sein, die uns leitet, wenn sie keine toxische Wirkung entfalten. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich die Gelegenheit, einen aufschlussreichen Vortrag von Silvia Zanotta zu hören, der praktische Beispiele beinhaltete. Da mein Veranstaltungen “F*ckupNightMunich” und mein damit verbundenes Kernthema der Entscheidungsfindung unweigerlich Diskussionen über Misserfolge und Fehler mit sich bringt, für die man sich möglicherweise schämt, halte ich es für wichtig, dieses Thema hier aufzugreifen und zu reflektieren. Was passiert in uns und mit uns in diesen Momenten des Schamgefühls? Wie wirkt sich diese auf uns und unser Umfeld aus?

Scham bringt Selbstkonzepte mit sich, wie “Ich kann nichts” oder “Ich bin nichts wert”. Von Scham betroffenen Menschen können sehr verletzlich sein und leicht wieder beschämt werden. Was können wir der Scham entgegenhalten, der Scham, in der wir uns allein, ausgestoßen und unerwünscht fühlen?

Die Lösung gleich vorne weg, ist: Das Erleben von Würde, Freude, Stärke und Triumph mit allen Sinnen. Diese Emotionen, Gefühle sind das Gegenstück, das Mittel der Lösung für unsere Scham.

Was macht Scham mit uns? Versetzen wir uns mal  hinein:

(Schamgefühl)

Denk an ein Erlebnis, das dir unangenehm war, wo du dich unwohl gefühlt hast, dich für etwas geschämt hast. Es muss nicht das schlimmste oder schrecklichste sein, es kann ein Erlebnis von früher oder eines was gerade vor Kurzem war sein. Erinnere dich an eine oder vielleicht auch mehrere Situationen.

Wo warst du? Wer war dabei? Und wenn du jetzt daran zurückdenkst, wo spürst du die Resonanz dazu in deinem Körper? Was erfährst du gerade durch deinen Körper? Welche Haltung möchtest du einnehmen? Zu welchem Verhalten drängte dich dieses Gefühl möglicherweise? Was möchtest du in diesem Moment schützen?

Jetzt nimm einen tiefen Atemzug und kehre zurück in den Raum. Wenn du möchtest kannst du auch abrupt aufstehen, wenn du willst, alles abschütteln oder das gerade Erlebte vom Körper abstreifen. Weg damit.

Was hast du in deinem Körper wahrgenommen? Spannungen in deinem Bauch, Rücken oder vielleicht im Solarplexus? Es kann Hitze entstanden sein, du wolltest Schutz suchen, dich zusammenziehen, letztendlich verschwinden oder vielleicht auch ein ganz anderes Erleben des Schamgefühls.

Denn Schamgefühle reichen von Hemmung und Schüchternheit über Peinlichkeit bis hin zu quälenden Selbstzweifeln. Man fühlt sich entblößt, verletzlich, verwundbar. Scham schränkt unsere Lebendigkeit ein, lässt uns feststecken, lähmt uns. Wir fühlen uns überfallen, verlieren die Verbindung zu anderen und wir können die Selbstkontrolle verlieren. Es ist ein Gefühl von Machtlosigkeit, Wertlosigkeit, Hilflosigkeit; es kann sie wie eine Art Vernichtung anfühlen.

Drehen wir den Spieß nun mal um:

denke an eine Situation, in der du Würde, Triumph, Erfolg erlebt hast. Es kann etwas ganz Kleines sein, das nicht für viele Menschen wichtig war oder großes. Etwas, bei dem du dir auf die Schulter klopfen konntest, bei dem du ganz zufrieden mit dir warst. Auch das kann eine Situation von irgendwann in deinem Leben sein. Und frage dich wieder, wo im Körper spürst du die Resonanz? Wo macht es sich bemerkbar, diese angenehme und wunderbare Erinnerung? Wie fühlt es sich an? Welche Haltung möchte dein Körper einnehmen, und was würdest du sagen, wenn du dieses Gefühl jetzt benennen müsstest?

Kannst du dieses Gefühl verstärken? Stell dir vor, du atmest durch diese Stelle im Körper, atmest tief hindurch und schaust, ob es größer und besser wird. Wenn du möchtest, lege deine Hände auf diese Stelle. Was geschieht dann da?

Dann atme wieder tief ein und kehre zurück in den Raum. Nimm wahr, wie es für dich war. Jeder Mensch reagiert anders; was bei dem einen Auswirkungen hat, ist bei dem anderen kaum oder nur leicht zu spüren. Deshalb probiere dich aus und experimentiere.

 

Die Scham ist für uns ein unangenehmes Gefühl und schwerer auszuhalten als Angst, Ärger, Ekel oder Trauer, und oft versteckt sich hinter diesen Emotionen die Scham. Sie macht in seiner Schutzfunktion aufmerksam auf zwischenmenschliche Probleme und auch auf unsere innere Welt, wenn wir etwas getan haben, das nicht in Ordnung war. Sie kann ein Leitfaden für Orientierung sein. Denn wenn die Scham nicht toxisch ist, dann hat sie auch ihre guten und gesunden Seiten und wir können durch Scham uns und andere besser verstehen. Dadurch lernen wir, uns auch vor uns selbst zu schämen und nicht nur vor anderen, was viel mit unserer Gewissensbildung zu tun hat.

In unserer Gesellschaft herrscht oft die Auffassung vor: „Wer einen Fehler begeht, sollte sich schämen“. Schuldgefühle sind meist leichter zu ertragen, da sie eine Form der Verantwortungsübernahme darstellen, während Scham oft mit einem Gefühl der Abhängigkeit einhergeht. Wenn du dich schämst, kämpfst du um deine eigene Anerkennung und Wertschätzung. Wenn jedoch jemand anders dich beschämt, missachtet er deine Würde. Dies kann auf subtile Weise geschehen – durch Taktlosigkeit, Ignoranz, Unfreundlichkeit – oder durch gravierendere Handlungen wie starke Abwertung, Bloßstellung, Diskriminierung und andere Formen der Grenzüberschreitung. In jedem Fall erlebst du eine Erniedrigung; du fühlst dich minderwertig, und dies kann zum Bruch von Beziehungen führen.

Deshalb ist das Gegenmittel zur Beschämung die Anerkennung. Die Empfindung von Würde, Freude, Stärke und Triumph sind kraftvolle Werkzeuge dagegen.

Die Abwehrreaktionen auf Scham sind vielfältig und ordnen sich drei Hauptszenarien unter: 1. Freeze (Erstarren, Verstecken), 2.Flight (Flucht in Sucht, Perfektionismus, Idealisierung, Größenfantasien) und 3.Fight (Angreifen, Arroganz, Trotz, Wut, Zorn, Gewalt, Verachtung, erneutes Beschämen, Zynismus, Schamlosigkeit).

Besonders im Alter von 1 bis 4 Jahren, wenn es um unsere Autonomie versus Scham geht, erleben wir fundamentale Entwicklungen. In dieser Zeit lernen wir, uns selbstständig zu bewegen, und unser Dopamin System, das mit Belohnung zusammenhängt, entwickelt sich. Hier entscheidet sich, wie wir auch später im Erwachsenen Alter mit unserer eigenen Scham umgehen. Kinder in diesem Alter sind neugierig und wollen alles erkunden, benötigen aber auch klare und gesunde Grenzen. Wichtig ist, ihnen zu vermitteln: „Was du getan hast, ist nicht in Ordnung“, anstatt „Du bist nicht in Ordnung“, um die Beziehung aufrechtzuerhalten und ein gesundes Selbst entstehen zu lassen.

Fazit: Was also ist zu tun?

Erkenne Scham, wenn sie aufkommt, und versuche, sie auszuhalten – so gut es geht –, indem du auf Ressourcen wie Würde, Freude und Stärke zurückgreifst. Lass die Gefühle zu, entwickle Mitgefühl für dich selbst und arbeite an deiner Selbstakzeptanz. Es ist auch eine Frage der Perspektive, wie wir das Erlebte bewerten. Während sich manche fühlen, als wären sie in Ungnade bei der Gesellschaft oder ihren Liebsten gefallen, motivieren sich andere selbst mit dem Credo: aufstehen, Krone richten, und es erneut versuchen. Je mehr wir innerlich ausgeglichen sind, desto besser können wir das, was wir als “falsch” oder “richtig” empfinden, identifizieren und nach außen hin selbstbewusst und ohne Scham vertreten. Einen Schritt weiter gedacht, ermöglicht uns diese Stärke sogar, Mobbing und Schuldzuweisungen ein Ende zu setzen.

Teilen gerne deine eigenen Erfahrungen und Tipps in den Kommentaren!

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BusinessConsultant | Veranstalterin der FuckupNightsMunich #Entscheidungsarchitektin

Michaela Forthuber
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